Ein Jahr nach Beginn der 15M-Proteste in Spanien gehen weltweit wieder viele Menschen am 12M (12. Mai 2012) auf die Straße, um für echte Demokratie und soziale Gerechtigkeit zu demonstrieren.
In internationaler Zusammenarbeit entstand ein Manifest, das die Haltung der vielen verschiedenen Bewegungen in Grundzügen widerspiegelt und als Diskussiongrundlage genutzt werden kann.
In einer heute veröffentlichten Pressemitteilung sagte Alvaro Rodriguez von der spanischen Indignados-Bewegung, der an dem Statement mitschrieb, dass es nicht die Position der lokalen und regionalen Versammlungen widerspiegele. Vielmehr bestehe der nächste Schritt darin, „das Statement den Versammlungen in aller Welt vorzustellen, damit sie es als Teil eines gemeinsamen Dialogs aller Bewegungen des globalen Frühlings diskutieren und Änderungen vorschlagen können“. http://de.unpacampaign.org/news/625.php
Globales MaiManifest
Wir leben in einer Welt, die von Kräften gelenkt wird, welche nicht in der Lage sind, der Weltbevölkerung Freiheit und Menschenwürde zu schenken (wenn sie es je waren). Eine Welt, in der uns gesagt wird, „es gibt keine Alternative“ zum Verlust der Rechte, die unsere Vorfahren durch lange und harte Kämpfe verwirklichten.
Wir finden uns wieder in einer Welt, in der Erfolg offenbar definiert wird als Gegensatz zu den grundlegendsten Werten der Menschheit, wie Solidarität und gegenseitiger Unterstützung. Zudem wird alles, was nicht Wettbewerbsfähigkeit, Egoismus und Habgier fördert, als dysfunktional betrachtet. Zudem wird diese unmoralische Ideologie durch das Monopol der Mainstream-Medien verstärkt, dem Werkzeug, das einen falschen Konsens rund um dieses unfaire und unhaltbare System erzeugt.
Aber wir sind nicht stumm geblieben! Unser Bewusstsein ist erwacht, und wir haben uns mit der Welle des Kollektivbewusstseins verbunden, das nun Licht und Hoffnung in jede Ecke der Welt bringt. Von Tunesien zum Tahrir Square, von Madrid nach Rejkjavik, von New York nach Brüssel, stehen Menschen auf. Im Arabischen Frühling, in der Würde von Island, in der würdevollen Wut von 15M und Occupy Wall Street. Gemeinsam haben wir den Status Quo aufgekündigt. Unsere Anstrengungen verkünden ganz klar „genug!“, und es wurden sogar Veränderungen angestoßen, weltweit.
Deshalb kommen wir, Frauen und Männer, Bewohner dieses Planeten, am 12. Mai erneut wieder zusammen, um unseren Stimmen Gehör zu verschaffen. Überall auf der Welt. Wir verurteilen den gegenwärtigen Zustand unseres Planeten und drängen auf die Anwendung verschiedener Strategien, die entwickelt wurden, um das Allgemeinwohl anzuregen und zu fördern.
Wir missbilligen die gegenwärtige Verteilung der ökonomischen Mittel, bei der nur eine kleine Minderheit Armut und Unsicherheit entgehen, während zukünftige Generationen dazu verdammt sind, ein vergiftetes Erbe anzutreten, dank der Umweltverbrechen der Reichen und Mächtigen. „Demokratische“ politische Systeme, wo es sie gibt, wurden bedeutungsleer und in den Dienst der wenigen gestellt, die daran interessiert sind, die Macht der Konzerne und Finanzinstitute zu stärken, ohne Rücksicht auf das Schicksal des Planeten und seiner Bewohner.
Die gegenwärtige Krise ist kein natürlicher Unfall. Sie wurde durch die Habgier derer verursacht, die die Welt versenken würden, mit Hilfe einer Wirtschaftslehre, die ihren eigentlichen Sinn verloren hat. Sie verwaltet nicht mehr das Allgemeingut, sondern stellt nur noch eine Ideologie dar, die im Dienste der Finanzmacht steht und versucht Billionen von Menschen erstickende Maßnahmen aufzuzwingen, ohne diese nach ihrer Meinung zu fragen. Sie sagen, es gibt keine Alternative. Sie sagen, wir müssen unsere Zukunft in die Hände eben derjenigen Experten legen, die sie zerstören.
Hier und jetzt sind wir zurück. Wir sind erwacht und nicht, um uns nur zu beschweren! Hier und jetzt gehen wir die wahre Ursache der Krise an: ihre Politik und ihre Lügen versteckt hinter leerer Rhetorik. Hier und jetzt schlagen wir Alternativen vor, weil wir das Problem lösen möchten, während wir uns auch in eine demokratischere Welt bewegen. Einfach gesagt wollen wir eine Welt, die von den Werten der Freiheit, der Gleichheit und der Brüderlichkeit regiert wird – dem alten Traum unserer Vorfahren, als sie sich in vorangegangenen Generationen gegen Unterdrückung erhoben – rund um den Planeten! Einfach gesagt wollen wir eine Welt, in der jeder Frau, jedem Mann und Kind das Streben nach persönlichem und kollektivem Glück garantiert ist.
Die unten stehende Erklärung spricht nicht im Namen eines jeden innerhalb der Global Spring/Occupy/Take the Square-Bewegungen, noch gibt sie dies vor. Dies ist ein Versuch Einiger innerhalb der Bewegungen geschriebene und weltweit in verschiedenen Asambleas (Versammlungen) befürwortete Erklärungen miteinander in Einklang zu bringen. Der Entstehungsprozess dieser Erklärung war konsensbasiert, offen für alle und regelmäßig auf unseren internationalen Kommunikationsplattformen angekündigt, die ebenfalls offen für alle sind (wie die „squares“-Mailingliste, die wöchentlichen globalen Roundtables und die „internationale“ Facebook-Gruppe). Es war ein langer und harter Prozess, voller Kompromisse. Diese Erklärung wird den Asambleas in aller Welt angeboten zur Diskussion, Überarbeitung, Ergänzung und Bestätigung.
Es wird einen Prozess des globalen Dialoges geben, und diese Erklärung ist ein Teil davon, ist work-in-progress. Wir fordern nichts von Regierungen, Konzernen oder Parlamentsmitgliedern, welche manche von uns als unrechtmäßig, unverantwortlich oder korrupt betrachten. Wir sprechen zu den Menschen der Welt, sowohl innerhalb als auch außerhalb unserer Bewegungen. Wir wollen eine andere Welt, und eine solche Welt ist möglich:
1. Die Wirtschaft muss in den Dienst des Wohlergehens der Menschen gestellt werden, muss die Umwelt unterstützen und ihr dienen, nicht privatem Profit. Wir wollen eine Welt, in der Arbeit für ihren sozialen Nutzen wertgeschätzt wird, nicht für ihren finanziellen oder kommerziellen Profit. Daher fordern wir:
- Freier und universeller Zugang zu Gesundheit, Bildung (von der Grundschule bis zu höherer Ausbildung) und Behausung für alle menschlichen Wesen, durch eine geeignete Politik, um dies zu gewährleisten. Wir lehnen die Privatisierung öffentlicher Dienste und die Nutzung dieser wesentlichen Dienste für privaten Profit vollkommen ab.
- Volle Achtung der Kinderrechte, einschließlich freier Kinderbetreuung für jeden.
- Pension/Rente, damit wir Würde in allen Lebensaltern haben. Festgeschriebenes universales Krankengeld und Urlaubsgehalt.
- Jeder Mensch soll Zugang zu einem adäquaten Einkommen für seinen Lebenunterhalt haben. Wir fordern also Arbeit oder alternativ dazu ein universell garantiertes bedingungsloses Grundeinkommen.
- Unternehmen sollten für ihre Handlungen verantwortlich gemacht werden, z.B. sollten Unternehmenssubventionen und Steuersenkungen eingestellt werden, wenn ein Unternehmen Arbeitsplätze auslagert oder Löhne senkt, die Umwelt oder die Rechte von Arbeitnehmern verletzt.
- Neben Brot wollen wir Rosen. Jeder hat das Recht, Kultur zu genießen, an kreativer oder bereichernder Freizeit im Dienst der Menschheitsentwicklung teilzuhaben. Daher fordern wir die zunehmende Reduzierung von Arbeitsstunden, ohne Einkommenssenkung.
- Nahrungsmittelunabhängigkeit durch nachhaltige Landwirtschaft soll gefördert werden als ein Instrument der Nahrungsmittelsicherheit zum Wohle Aller. Das sollte ein uneingeschränktes Verbot für die Produktion und die Vermarktung von gentechnisch veränderten Organismen beinhalten und eine sofortige Einschränkung der Nutzung von Agro-Chemikalien.
- Wir fordern eine Politik, die mit dem Verständnis harmoniert, dass sich unser Lebenswandel in Richtung organisch und ökologisch bewegen sollte. Diese Politik sollte auf einer einfachen Regel basieren: man darf die Balance des Ökosystems nicht für den eigenen Profit vergiften. Eine Verletzung dieses Grundsatzes soll weltweit als Umweltverbrechen geahndet und mit schweren Sanktionen belegt werden.
- Eine Politik, die einen Umstieg von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien fördert, durch massive Investitionen, um zu einer Veränderung des Produktionsmodells beizutragen.
- Wir fordern die Einführung internationaler Umweltstandards, verpflichtend für Staaten, Firmen, Konzerne und Individuen. Ökozid (willentliche Zerstörung von Umwelt, Ökosystemen, Biodiversität) sollte international als Verbrechen größten Ausmaßes anerkennt werden.
2. Für das Erreichen dieser Ziele glauben wir, dass die Wirtschaft auf allen Ebenen demokratisch gestaltet sein sollte, vom Lokalen bis hin zum Globalen. Die Menschen müssen die demokratische Kontrolle über finanzielle Institutionen, transnationale Unternehmen und deren Lobbies innehaben. Zu diesem Zweck fordern wir:
- Kontrolle und Regulierung von Finanzspekulation durch die Abschaffung von Steueroasen und Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Solange diese existieren, müssen der internationale Währungsfond, die Weltbank und das Basler Komitee zur Bankenregulierung radikal demokratisiert werden. Deren Aufgabe soll es von nun an sein, die wirtschaftliche Entwicklung auf der Basis demokratischer Entscheidungsfindung voranzutreiben. Reiche Regierungen dürfen nicht mehr Stimmrecht besitzen, weil sie reich sind. Internationale Institutionen müssen durch das Prinzip kontrolliert werden, dass jedes menschliche Wesen den gleichen Wert wie andere menschliche Wesen besitzt – Afrikaner, Argentinier oder Amerikaner; Grieche oder Deutscher.
- Solange diese existieren, müssen das globale Handelssystem und die Welthandelsorganisation radikal reformiert und demokratisiert werden. Die Kommerzialisierung von Leben und Ressourcen, Lohn- und Handelsdumping zwischen den Ländern muss aufhören.
- Wir wollen die demokratische Kontrolle über globale Gemeingüter, definiert als natürliche Ressourcen und ökonomische Institutionen, welche grundlegend für eine angemessene Wirtschaftsleistung sind. Diese Gemeingüter sind: Wasser, Energie, Luft, Telekommunikation und ein faires und stabiles Wirtschaftssystem. In all diesen Bereichen müssen Entscheidungen den Bürgern gegenüber verantwortlich getroffen werden und es müssen deren Interessen gesichert werden, nicht die Interessen einer kleinen Minderheit der Finanzelite.
- Solange soziale Ungleichheiten existieren, müssen Steuern auf allen Ebenen dem Prinzip der Solidarität unterworfen sein. Diejenigen, die mehr haben sollten dazu beitragen, das kollektive Sozialwesen zu erhalten. Maximales Einkommen sollte begrenzt werden und Mindesteinkommen sollten festgesetzt werden, um die empörenden sozialen Unterschiede in unseren Gesellschaften, sowie deren sozialpolitische und ökonomische Folgen zu verringern.
- Kein Geld mehr für Bankenrettungen. So lange Schulden existieren, fordern wir den Beispielen von Island und Ecuador folgend, eine soziale Überprüfung der Schulden einzelner Länder. Unrechtmäßige Schuldenforderungen von finanziellen Institutionen sollten nicht gezahlt werden.
- Uneingeschränkte Beilegung der Sparpolitik, die nur einer Minderheit zu Gute kommt, und die großes Leiden für die Mehrheit verursacht.
- So lange Banken existieren, muss getrennt werden zwischen Geschäfts- und Finanzbanken, und Banken „too big to fail“ sind zu vermeiden.
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Unternehmen dürfen keine juristischen Personen sein. Firmen können nicht auf dieselbe Ebene von Rechten erhoben werden wie Menschen. Das öffentliche Recht, Arbeiter, Bürger und die Umwelt zu schützen, sollte über den Schutz privaten Eigentums oder von Kapitalanlagen gestellt werden.
3. Wir glauben, dass politische Systeme vollkommen demokratisch sein müssen. Deshalb fordern wir volle Demokratisierung internationaler Institutionen und eine Abschaffung des Vetorechtes einiger weniger Regierungen. Wir wollen ein politisches System, das die Vielfalt und Vielseitigkeit unserer Gesellschaften wahrhaft repräsentiert:
- Alle Beschlüsse, die die gesamte Menschheit betreffen, sollen innerhalb demokratischer Foren wie einer partizipatorischen und direkten UN-Parlamentsversammlung oder einer UN-Völkerversammlung getroffen werden. Nicht von reichen Clubs wie den G20 oder den G8.
- Wir fordern auf allen Ebenen die Entwicklung einer Demokratie, die so partizipatorisch wie möglich ist und die eine nichtrepräsentative, direkte Demokratie beinhaltet.
- So lange Wahlsysteme praktiziert werden, sollen sie so fair und repräsentativ wie möglich sein. Verzerrungen, die das Prinzip der Verhältnismäßigkeit verletzen, sind zu vermeiden.
- Wir fordern eine Demokratisierung des Zugangs zu Medien und der Leitung von Medien (Mainstream-Medien). Diese sollen dazu dienen die Öffentlichkeit zu bilden, anstatt einen künstlichen Konsens über ungerechte Politik zu schaffen.
- Wir fordern Demokratie in Unternehmen und Konzernen. Unabhängig von Lohnniveau und Geschlecht sollen Arbeitnehmer echte Entscheidungskraft in den Firmen und Unternehmen haben, in denen sie arbeiten. Wir wollen kooperative Konzerne und Unternehmen als echte demokratische ökonomische Institutionen fördern.
- Null Toleranz gegenüber Korruption in der Wirtschaftspolitik. Wir müssen den maßlosen Einfluss des Big Business in der Politik unterbinden, der heute eine Hauptbedrohung echter Demokratie darstellt.
- Wir fordern die vollständige Redefreiheit, Versammlungsfreiheit und ein Demonstrationsrecht, sowie ein Ende der Versuche das Internet zu zensieren.
- Wir fordern die Wahrung von Datenschutz und der Privatsphäre innerhalb und außerhalb des Internets. Weder Unternehmen noch Regierungen sollen Datenspeicherung betreiben.
- Wir sind überzeugt davon, dass Militärausgaben der gesellschaftlichen Entwicklung politisch entgegenstehen. Daher fordern wir die Beschränkung auf ein Minimum.
- Die bürgerlichen, kulturellen, politischen und ökonomischen Rechte von ethnischen, kulturellen und sexuellen Minderheiten sind voll anzuerkennen.
- Manche von uns glauben, dass eine neue universelle Deklaration der Menschenrechte erarbeitet werden muss, die dem 21. Jahrhundert gerecht wird, verfasst auf partizipatorischem, direktem und demokratischem Wege. Solange die gegenwärtige Deklaration der Menschenrechte unsere Rechte definiert, muss die Umsetzung in allen – reichen und armen – Ländern vorangetrieben werden. Dies beinhaltet die Schaffung von Institutionen die für die Umsetzung und die Bestrafung von Verstößen sorgen, wie etwa ein internationaler Gerichtshof, der soziale, ökonomische und ökologische Verbrechen von Regierungen, Unternehmen und Individuen ahndet. Wie in Island oder manchen lateinamerikanischen Ländern sind neue Verfassungen für politische Institutionen auf allen Ebenen zu überlegen: lokal, national, regional und global. Gerechtigkeit und Gesetze müssen allen dienen, ansonsten ist Gerechtigkeit keine Gerechtigkeit und Gesetz nicht Gesetz.
Dies ist ein weltweiter Globaler Frühling. Wir werden hier sein im Mai 2012, wir werden kämpfen, bis wir gewinnen. Wir werden nicht aufhören, Menschen zu sein. Wir sind keine Nummern. Wir sind freie Frauen und Männer.
Für einen globalen Frühling!
Für globale Demokratie und soziale Gerechtigkeit!
Geht auf die Straßen im Mai 2012!
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zum Download als PDF oder ODT (Open Office):
Quellen: http://interoccupy.org/may-12th-globalmay-statement/, 5.5.2012 (von occupy london – internationale kommission / deutsche Übersetzung von unbekannt / Änderungen: Du!)
Ich find das teils nich radikal genug , zu sehr im alten Systemdenken verhaftet..viele Punkte sind trotzdem ganz ok…generell sollte man aber schon genau wenn plötzlich irgendwelche Occupymanifeste in umlauf gebracht werden, man aber trotz sehr guter Vernetzung niemand kennt der daran mitgearbeitet hat…
Ein sehr ausgeglichener Vorschlag! Sehr Gut!
Dafür werde ich mich politisch einsetzen!
Pirat Hermann Klie aus Hof, Deutshland
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